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Vielleicht geht 2010 als Jahr der großen privaten Immobilienfinanzierung in die Geschichte ein? Zahlreiche Medien verweisen auf die aktuell günstigen Bauzinsen und darauf, dass es kaum einen besseren Zeitpunkt gibt, um eine Immobilienfinanzierung zu realisieren. Andererseits findet man auch einen Artikel der Zeitung „Der Westen“ mit Zahlen der Arbeiterwohlfahrt im Internet: In ihm wird die Eigenheimfinanzierung als Hauptgrund für Überschuldung derjenigen genannt, die die AWO-Beratung in Holzwickede in Anspruch genommen haben. Nun ist die Gemeinde im Kreis Unna alleine mit Sicherheit nicht repräsentativ für Deutschland. Aber vielleicht taugt die kleine Nachricht dennoch als Warnung, auch in Zeiten niedriger Bauzinsen die Augen offen zu halten und nicht blindlings in eine Baufinanzierung zu tappen?

Die Zeit des Niedrigzinses

Die Nachrichten für Bauwillige klangen Ende Mai sehr gut. Für Baukredite mit zehnjähriger Zinsbindung seien die Bauzinsen innerhalb von nur drei Monaten um 0,5 Prozentpunkte gesunken. Die Münchner Abendzeitung bezifferte den aktuellen Zinssatz im Juni auf 4,3 Prozent. Er liegt damit um 1,3 Prozentpunkte unter dem Bauzinssatz aus dem August 2008. „Baut, Leute baut, wenn nicht jetzt, wann dann?“ scheint es derzeit aus der Medien- und Finanzwelt zu hallen. „Mit rund 400 Euro pro Monat lasse sich derzeit ein 100.000 Euro-Kredit schultern“, schreibt etwa das Unternehmen HypothekenDiscount in einer Pressemeldung vom ersten Juni 2010. Pauschale Aussagen sollten durchdachte Finanzierungspläne aber nicht ersetzen. Tappen Deutschlands Bürger jetzt angesichts vieler Verlockungen blind ins gelobte Land der Niedrigzinsen und beginnen ihre Immobilienbau- und Kaufprojekte? Es gibt Zahlen, die gegen diese Thesen sprechen.

Immobilienfinanzierung — Zahlen, die für Vorsicht sprechen

Anlass der Pressemitteilung von HypothekenDiscount war eine kleine Studie des Unternehmens mit der Frage: „Wie hoch dürfte für Sie die monatliche Mehrbelastung für eine Immobilienfinanzierung im Vergleich zur bisherigen Miete sein?“ „Gar nicht“, antworteten 43 Prozent der Befragten. 19,4 Prozent würden eine Mehrbelastung bis zu einhundert Euro in Kauf nehmen und 17,7 Prozent eine Mehrbelastung bis zu 200 Euro. Das klingt nach bedachtem Vorgehen. Das Problem bei dieser „Studie“: HypothekenDiscount lässt zumindest in seiner Pressemitteilung völlig offen, wie die Zahlen erhoben wurden. Und so bleiben Fragen. Haben vor allem diejenigen geantwortet, deren Pläne für eine Immobilienfinanzierung bereits konkret geworden sind? Oder sind vielleicht diejenigen in der Mehrheit, deren Pläne noch im unausgereiften Zustand verharren? Ist die „Studie“ repräsentativ? Um die Frage zu beantworten, wie vorsichtig oder forsch die Menschen in Deutschland eine Immobilienfinanzierung angehen, muss man also weitersuchen. Dabei stößt man vielleicht auf jene Studie des Forsa Instituts im Auftrag der Allianz AG, über die wir bereits in einem Artikel vom 24. Mai berichtet haben. 73 Prozent derjenigen Befragten, die „in nächster Zeit den Kauf eines Eigenheims planen“, möchten laut dieser Studie den Rat eines Finanzierungsexperten einholen. 88 Prozent der Befragten halten die Absicherung der Immobilienfinanzierung für Fälle wie Arbeitslosigkeit, Unfall oder den Tod des Hauptverdieners für wichtig oder gar sehr wichtig.

Nur gutes Kalkulieren führt zum Wohlfühl-Zuhause

Kehren wir nochmals zurück nach Holzwickede. 32,1 Prozent derjenigen Holzwickeder, die 2009 in die zuständige AWO-Schuldnerberatung kamen, waren aufgrund von Immobilienfinanzierungen überschuldet. Das bedeutet Platz EINS der Gründe für eine Überschuldung knapp vor einem misslungenen Schritt in die Selbstständigkeit. Nein, diese Zahlen sind vielleicht NICHT repräsentativ für ganz Deutschland. Den Zweck für diesen Artikel erfüllen sie jedoch: Einem vor Augen zu halten, wohin eine nicht durchdachte Immobilienfinanzierung bisweilen führt. Vielen Menschen in Deutschland — so lassen es zumindest die Studienzahlen vermuten — scheint das bewusst zu sein. Es wäre auch gut so. Hoffen wir, dass die Zahlen nicht trügen. Nur die durchdachte Finanzplanung sorgt dafür, dass ein Eigenheim nicht zur übermäßigen Belastung wird, sondern zu einem auch finanziell abgesicherten Zuhause. Wer aufgrund einer zu sorglosen Finanzplanung arge Probleme mit der Immobilienfinanzierung bekommt, wird sich kaum wohl fühlen im eigenen Heim. Wer dagegen finanziell solide aufgestellt ist (das bedeutet nicht zwangsläufig Reichtum), darf auch auf die Lockrufe von Niedrigzinsen hören.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Phillip

    Da stimme ich Ihnen zu. Nur deswegen zu bauen, weil die Zinsen gerade besonders günstig ist, kann für den einen oder anderen Bauherren schiefgehen. Man sollte sich die Finanzierung auch dann leisten können, wenn der Zinssatz 1 oder 2 Prozent teuerer wäre. Denn einen Engpass gibt es immer mal wieder.

  2. Maximilian W.

    Wegen niedriger Bauzinsen sollte man nicht voreilig eine Finanzierung abschließen, da kann ich Ihnen nur recht geben!

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