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Sie kennen wahrscheinlich jenen populärwissenschaftlichen Leitsatz zur Chaostheorie: Ein Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann über viele Wirkungsketten einen Tornado in Texas auslösen. Der Flughafen Berlin Brandenburg International ist mehr als ein Schmetterling: Möchte man bei tierischen Analogien bleiben, ist er wohl eher ein Riesenfalter und die um viele Monate verschobene Eröffnung wäre damit auch weitaus mehr als das Schlagen eines Schmetterlings-Flügels. Bis Texas reichen die Auswirkungen vielleicht dennoch nicht. Aber sie reichen weit. Lassen wir die Diskussionen rund um Verantwortlichkeiten einmal beiseite und widmen uns Folgen und möglichen Folgen der Verzögerung.

Mehrkosten und einige Opfer

Spricht man über Folgen der verschobenen Eröffnung, geht es meistens sehr schnell um die Mehrkosten für das riesige Projekt. In den Medien kursiert für die unmittelbar mit der späteren Eröffnung verbundenen Kosten eine Zahl von 500 Millionen. Die Gesamtkosten lägen damit bei knapp drei Milliarden Euro. Nicht eingerechnet sind dabei möglicherweise geltend gemachte Regressansprüche. Hier schreibt der Berliner Kurier von weiteren 500 Millionen Euro. Und natürlich müssen auch Köpfe rollen. Gehen muss etwa Dr. Manfred Körtgen, der „Bereichsleiter Planung und Bau BBI“ der Berliner Flughafengesellschaft. Seine Aufgaben übernimmt vorübergehend der Chef selbst: Professor Doktor Rainer Schwarz.

Von ihren Aufträgen entbunden wurde zudem die Planungsgemeinschaft Flughafen Berlin Brandenburg International (pg BBI), die als Generalplaner zugleich die Objektüberwachung innehatte. Das bedeutet unter anderem das Aus für das Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner (GMP) sowie für JSK Architekten. Inwieweit die „Blamage für Berlin“, wie manche den verschobenen Start des BBI wohl nicht ganz unberechtigt nennen, auch Folgen für Klaus Wowereit hat, den Regierenden Bürgermeister Berlins und zugleich Aufsichtsrats-Vorsitzenden der Flughafen-Gesellschaft, bleibt abzuwarten.  Ganz unbeschadet dürfte er die Sache nicht überstehen.

Die Probleme der Shops und Gastronomen

Viele Shops und Gastronomie-Betriebe am neuen Flughafen sowie im Flughafen-Umfeld haben fest mit einer Eröffnung des Flughafens im Juni 2012 gerechnet und sehen sich jetzt mit Problemen konfrontiert. So haben etwa viele Händler und Gastronomen, die bereits Shops oder Restaurantfläche im Terminal gemietet haben, nun eine Menge Monate mit Kosten ohne Einnahmen zu überstehen. Die Berliner Morgenpost berichtete, dass viele von ihnen bereits Waren geordert und Personal eingestellt hätten, was zusätzlich Kosten verursacht hat, denen wiederum keine Einnahmen gegenüberstehen. Da ihre Verträge teils vorsehen, dass Regressansprüche erst dann möglich sind, wenn sich die Eröffnung des Flughafens um 18 Monate verschiebt, dürften die Chancen auf eine Kostenübernahme durch Andere eher gering sein. Allerdings ist von Härtefall-Regelungen die Rede, die bei zu arg werdenden Problemen der Händler greifen.

Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung soll die Einzelhandelsfläche auf dem BBI übrigens bei 22.0000 m² liegen, wobei die Zeitung darüber spekuliert, ob sich Flughäfen wie der BBI nicht zum „Shoppinglabyrinth mit peripherer Abflugoption“ entwickeln, worunter die eigentliche Funktion eines Flughafens eher leidet. Ein interessanter Denkansatz. Ob etwas dran ist? In Berlin und Brandenburg wird man das wohl frühestens 2013 erfahren. Dann wird man vielleicht auch mehr darüber wissen, wie sehr der verzögerte Flughafenstart potenzielle Investoren in Berlin und Brandenburg abgeschreckt hat. Sie wurden in der Vergangenheit oftmals mit dem Flughafen geködert. „Die Verschiebung hat uns Vertrauenskapital gekostet und das ist die Währung, mit der Investitionen getätigt werden“, wird etwa Wolfgang Krüger, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cottbus, in der Märkischen Allgemeinen Zeitung zitiert.

Tegel wird voll!

Weil BBI verspätet kommt, gibt es Probleme in Berlin-Tegel. Der dortige Flughafen läuft am Rande seiner Kapazitäten und wird jetzt wohl vorübergehend noch mehr Fliegern als An- und Abflugstation dienen. Noch Ende April – vor der großen Verschiebung – hatten wir von steigenden Wohnimmobilien-Preisen in Tegel gesprochen, da Fluglärm dort nun sehr bald der Vergangenheit angehört. Das mit dem Stopp des Fluglärms ist jetzt wohl erst einmal hinfällig. Ob sich das auf Immobilien-Preise in Tegel auswirkt? Man wird sehen: Der Riesenfalter hat jedenfalls mit den Flügeln geschlagen.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Sebat

    DIe Verantwortlichen Firmen zu entlassen ist zwar völlig angemessen, allerdings ist die Politik maßgeblich am Druck schuld, der offenbar eine offene Kommunikation der bekannten Probleme verhindet hat.

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