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Ein historischer Stadtkern kann für eine Stadt Segen und Fluch zugleich sein. Im Allgemeinen trägt er zur Attraktivität der Stadt bei und zieht bestenfalls auch Touristen an. Andererseits können viele Denkmäler im Stadtkern Reformaufgaben erschweren, etwa energetische Sanierungen oder eine Anpassung von Wohnungen an den demografischen Wandel. Städte mit historischen Stadtkernen haben deshalb oftmals einen besonders schwierigen Spagat zu leisten. Manche von ihnen meistern diese Aufgabe sehr gekonnt. Elf von ihnen haben Ende August 2013 eine Auszeichnung im Rahmen des Wettbewerbs „Historische Stadtkerne – integriert denken und handeln“ erhalten. Eine dieser Städte war Schmallenberg in Nordrhein-Westfalen mit 83 kleinen und größeren Ortskernen, was eine ganz besondere Herausforderung bedeutet.

Schmallenberg zieht Touristen an

327.478 Touristen übernachteten im ersten Halbjahr 2013 in Schmallenberg im nordrhein-westfälischen Hochsauerlandkreis. Das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Vorjahreszeitraum von 2,7 Prozent und damit auch eine Entwicklung gegen den nordrhein-westfälischen Trend, wo die Touristenzahlen zwischen 1/2012 und 1/2013 um 0,8 Prozent sanken. Schmallenberg liegt landschaftlich reizvoll im waldreichen Schmallenberger Sauerland. Die Altstadt im eigentlichen Schmallenberg ist eine der Sehenswürdigkeiten und wird auf der Website der kleinen Stadt mit etwas über 25.000 Einwohnern als eine „eindrucksvolle Stadtgründung des preußischen Klassizismus“ bezeichnet, die nach dem Stadtbrand von 1822 konzipiert worden sei. Aber im Prinzip gibt es nicht nur einen einzigen Stadtkern in Schmallenberg, sondern stattdessen ganz viele Ortskerne.

Schmallenberg besteht inklusive Kernstadt aus 83 Ortschaften, von denen viele von gut gepflegten schwarz-weißen Fachwerkhäusern mit Schieferdächern geprägt sind. Schmallenberg bezeichnet das eigentliche Schmallenberg sowie Bad Fredeburg als die Kernorte der Gesamtstadt. Vier der Ortschaften sind Kurorte, unter anderem gehört Bad Fredeburg als Kneipp-Heilbad dazu. Zudem zählen einige Orte von Schmallenberg zu den Golddörfern beim Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Das alles klingt ein wenig wie heile Welt, aber völlig heil ist auch die von Schmallenberg wohl nicht. Die Stadt gehört zu den nordrhein-westfälischen Kommunen mit Bevölkerungsschwund. Zwar wurden die Zahlen durch die letzte Volkszählung nach oben korrigiert, dennoch hat Schmallenberg zwischen 2000 und 2012 etwa 1.400 Einwohner verloren. Die Stadt bescheinigt ihrer Wirtschaftsstruktur Branchenvielfalt mit vielen Kleinbetrieben und mittelständischen Unternehmen. Tourismus spielt eine nicht zu vernachlässigende Rolle.

Viele kleine Ortskerne = viele Herausforderungen

Die 83 Ortsteile von Schmallenberg sind die große Herausforderung, der sich die Stadt im Sauerland anscheinend bisher erfolgreich gestellt hat, was Schmallenberg aktuell zum Preisträger gemacht hat. Das Schmallenberger Konzept werde durch den gesamtstädtischen Projektansatz ausgezeichnet. Im Fokus stehe die energetische Erneuerung im Einklang mit den Ortsbildern, wird die Laudatio für Schmallenberg im Portal der Westen.de zitiert. Das sagt noch nicht ganz so viel aus. Recherchiert man nach Details zur Schmallenberger Stadtentwicklung, stößt man auf das Stadtentwicklungskonzept „Schmallenberg 2030″ und mehr Informationen. Das Konzept definiert die fünf Leitziele „Dörfliches Leben und städtische Vielfalt“, „Tradition und Weltoffenheit“, „Ruhe und Aktivität“, „Arbeit und Urlaub“  sowie „Schönheit und Nachhaltigkeit“. Um die alte Bausubstanz in Schmallenberg zu bewahren, beschreibt die Stadt in ihrem Konzept Strategien zur Um- und Nachnutzung. Zu ihnen gehört unter anderem die Initiative „Jung kauft Alt“, die jüngere Leute für die historischen Häuser auf Stadtgebiet begeistern soll, sowie die „systematische Erfassung des Bestands durch Datenbank gestütztes Leerstandskataster“. Als ein drängendes Ziel in Bezug auf Ortsbild und Gestaltung definiert Schmallenberg die Erhaltung und Pflege der Stadt- und Ortskerne und historischen Bauten – auch in Verbindung mit ‚erneuerbaren Energien’“.

Spätestens beim Thema Energie und Energiesparen, dem im Stadtentwicklungskonzept ein eigenes Kapitel gewidmet ist, zeigt sich das Spannungsverhältnis, in dem sich Städte wie Schmallenberg bewegen: Sie müssen und wollen alte und teils als Denkmal geschützte Bausubstanz bewahren und werden sie zugleich (behutsam) an moderne energetische Anforderungen anpassen müssen. Demografische Veränderungen und sich ändernde Anforderungen an Wohnraum verlangen ebenfalls nach Veränderung; Schmallenberg definiert hier Maßnahmen zur Ergänzung des Wohnungsangebotes sowie zur Anpassung an die Bedürfnisse älterer Menschen. Und so hat die Stadt eine Gratwanderung vor sich: eine nicht ganz einfache zwischen Verändern und Bewahren. Alleine ist sie damit nicht.

Der Wettbewerb „Historische Stadtkerne“

Schmallenberg ist eine von elf Städten, die beim Wettbewerb „Historische Stadtkerne – integriert denken und handeln“ ausgezeichnet wurden. Neben Schmallenberg gehören auch die Städte Gotha und Geisa in Thüringen zu den Preisträgern, daneben gewannen Amorbach, Großostheim, Iphofen und Neumarkt in der Oberpfalz in Bayern sowie Bernburg, Halle an der Saale und Werben (Elbe) in Sachsen-Anhalt und Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern. Pro Auszeichnung gab es ein Preisgeld von 12.000 Euro. Zu den ausgezeichneten Städten gesellten sich 13 Städte und Gemeinden mit Anerkennungen, für die es jeweils 5.000 Euro gegeben hat.

Die Situation in den einzelnen ausgezeichneten oder mit Anerkennung belohnten Städten und Gemeinden dürfte jeweils sehr unterschiedlich sein, sodass Schmallenberg nur bedingt als Beispiel für alle gelten kann. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: Alle haben ihren Weg zwischen Bewahren und Verändern zu meistern, jede auf ihre Weise. Der Bundeswettbewerb Historische Stadtkerne – integriert denken und handeln“ würdigt das. Er wurde in Zusammenarbeit mit den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden sowie der Vereinigung der Landesdenkmalpflege in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt, berichtet das Bundesministerium. Insgesamt haben sich 75 Städte aus dem gesamten Bundesgebiet am aktuellen Wettbewerb beteiligt.

Was nun, Schmallenberg?

Schmallenberg hat bereits Pläne, die jüngst verliehene Auszeichnung zu nutzen. Die Stadt wolle mit ihrem Stadtkern „in das Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz aufgenommen werden, und mit dem Rest des Stadtgebietes in das Städtebauförderprogramm des Bundes für die Entwicklung kleiner Städte und Gemeinden“, wird Schmallenbergs Bürgermeister Bernhard Halbe auf dem Portal „Der Westen“ zitiert. Die Auszeichnung könnte hier wichtige Türen öffnen.