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Schwerin ist Letzter. Im Städte-Ranking der DekaBank, das am 12. Dezember 2012 veröffentlicht wurde, belegt die Stadt Rang 32 von 32. Alle Städte im Ranking wurden anhand von sechs Bewertungskriterien analysiert, wobei Schwerin beim Kriterium „Arbeitsmarkt“ mit Platz 26 von 32 noch am besten abgeschnitten hat. Beim Kriterium „Lebensqualität“ reichte es indes nur für Platz 32. Letzter! Das klingt nicht unbedingt nach einem Wohnstandort, der viele Menschen anzieht. Und tatsächlich sind die Bevölkerungsprognosen eher negativ. Aber es gibt auch positive Zahlen. Und vielleicht ist alles gar nicht so schlimm, wie es ein letzter Platz bisweilen aussehen lässt? Vielleicht ja. Letztlich geht es hier auch um die Frage: Wie misst man eigentlich Lebensqualität?

Schwerin – sechs Kriterien und ein kleines Porträt

Schwerin, die Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns, hatte Ende 2011 insgesamt 95.300 Einwohner. Die Stadt besitzt eine reiche Tradition als Residenzstadt des Herzogtums Mecklenburg. Sie ist Schlossstadt mit dem Schweriner Schloss als Wahrzeichen und sie ist eine Stadt in durchaus reizvoller Lage am Ufer des Schweriner Sees, umgeben von viel Wald und weiteren Seen. Das alles klingt reizvoll. Aber zumindest für einen etwas besseren Rang im DekaBank Städteranking reicht das nicht aus. Die Bank beschreibt ihr Ranking selbst als „quantitativen Indikator, der die Attraktivität von Immobilienmärkten anhand von sechs Säulen erfasst“.

Neben den beiden bereits erwähnten Säulen „Arbeitsmarkt“ und „Lebensqualität“ gibt es noch „Wohlstand“ mit Unterkriterien wie Kaufkraft pro Kopf, die Säule „Stabilität“ (Unterkriterien z.B. Diversifizierung des Dienstleistungssektors und Größe des Industriesektors), „Demografie“ (Unterkriterien „Anteil der unter 18 Jährigen“ und „Bevölkerungswachstum“) sowie „Zentralität“ mit Unterkriterien wie der Erreichbarkeit von Autobahnen, ICE-Verbindungen und der Entfernung zum nächsten Flughafen. Schwerin erreichte im Ranking den bereits erwähnten Platz 26 bei der Säule „Arbeitsmarkt“ (Unterkriterien z.B. Arbeitslosenquote und Beschäftigungswachstum). Daneben gab es einen Platz 28 beim Wohlstand, einen Platz 31 bei der Demografie und jeweils einen letzten Platz bei der Stabilität, der Zentralität und – wie erwähnt – bei der Lebensqualität, die im Ranking mit den Unterkriterien „Bildung“, „Bevölkerungsdichte“, „Kriminalität“ und „Kulturelle Einrichtungen“ gemessen wird. Das alles wirkt wirklich nicht so, als sei Schwerin ein Bevölkerungsmagnet.

Ein Blick in die Zukunft

Tatsächlich ist Schwerin eine Stadt, für die in den letzten Jahren ein Rückgang der Bevölkerung beobachtet werden konnte und für deren Zukunft ein weiterer Rückgang prognostiziert wird. Schwerin selbst rechnet laut 2008 veröffentlichter „Wohnungsmarktprognose Schwerin 2020“ mit einem Rückgang von 96.280 Einwohnern im Jahr 2006 um 6.480 oder rund sieben Prozent auf 89.800 im Jahr 2020. Darauf reagiert Mecklenburg-Vorpommerns Hauptstadt – wie auch verschiedene andere ostdeutsche Städte – mit einem Rückbau von Wohnungen. So gab es zwischen 2003 und 2007 einen geförderten Rückbau von 2.526 Wohneinheiten. Insgesamt wird für den Schweriner Wohnungsmarkt bis 2020 ein Nachfragerückgang von etwa fünf Prozent prognostiziert. Sinken wird laut Prognose die Haushaltsgröße sowie die Anzahl von Starterhaushalten junger Menschen, da die Einwohnerzahl Schwerins vor allem in jüngeren Segmenten der Bevölkerung sinkt.

Es gibt nicht nur Schatten, sondern auch Licht

„Schwerin 2020 – offen – innovativ – lebenswert“ heißt die Broschüre, in der die Stadt Schwerin ihre Leitthemen für ihre Zukunft definiert. Sie heißen „Kultur und Natur“, „Tradition und Moderne“, „Gesundheit und Erholung“, „Überschaubarkeit und Größe“ sowie „Bürgerengagement und soziale Verantwortung“. Zu den in der Broschüre erklärten Zielen gehört es unter anderem, Schwerin als führenden Dienstleistungs- und Einzelhandelsstandort Mecklenburg-Vorpommerns weiterzuentwickeln, als Oberzentrum der Region auszubauen und als Tagungs- und Kongressstadt zu entwickeln. Zukunftsweisender Wohnungsbau gehört ebenfalls in die Planung, die die „Schaffung neuer, innovativer Wohngebiete“ vorsieht und dabei etwa die Förderung eines klimagerechten, solaren Bauens. Und so werden heute vielleicht die Weichen für ein gutes Morgen in Schwerin gelegt? Möglicherweise!

Aber nicht nur der Blick auf ein mögliches Morgen macht Hoffnung. So zitierte etwa der Norddeutsche Rundfunk (NDR) Anfang Dezember 2012 den LBS-Geschäftsführer Mathias Wahsenak mit der Aussage, dass die LBS in Schwerin aktuell die doppelte Anzahl an Häusern verkaufen könnte, wenn sie nur genug im Angebot hätte. Die Kunden seien vor allem junge Familien mit Erwachsenen im Alter zwischen 30 und 40. Die repräsentative Bewohnerbefragung Schwerins zur Wohnzufriedenheit im Jahr 2010 brachte ebenfalls Positives zutage. Laut Befragung lebten 94 Prozent aller Befragten gerne in Schwerin. 72,5 Prozent der Befragten fühlten sich 2010 mit „ihrer“ Stadt sehr verbunden, was eine Steigerung gegenüber ähnlichen Befragungen in den Jahren 2003 und 2007 bedeutete. Was das alles heißt? Es heißt sicherlich nicht, dass die Studie der DekaBank fehlerhaft ist oder dass die Bewohnerbefragung Mängel aufweist. Die Wege zum Ergebnis sind einfach unterschiedlich und als Außenstehender wird man selbst entscheiden müssen, was aus individueller Sicht wichtigere Kriterien sind, um die Lebensqualität in einer Stadt zu beurteilen: Kriterien wie „Bildung“, „Bevölkerungsdichte“, „Kriminalität“ und „Kulturelle Einrichtungen“ oder die Aussagen von Menschen, die in der Stadt leben? Dies ist nur eine Frage, eine echte. Keine mit vorgegebenen Antworten.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Wie heisst es so schön: traue keiner Statistik…. Jede Wette, wenn man in Hamburg oder München oder wo auch immer in den „falschen“ Stadtteilen fragen würde, kämen selbst in diesen angeblich so beliebten Städten interessante andere Werte heraus.

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