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Wer über recycelte Baustoffe spricht, spricht vielleicht über Holz, über die Steine von Abbruchhäusern, vielleicht gar über Stroh. Papier ist dagegen derzeit wohl eher selten gemeint. Außenwände aus Papier klingen für viele Menschen eventuell eher wie ein Witz als wie eine ernst gemeinte Idee für innovatives Bauen. Und doch gewann die Idee, Altpapier als Baustoff zu verwenden, im Jahr 2007 den Architekturwettbewerb „Mobile Working Spaces“. Nun steht das Papierhaus des Oberhausener Architekturbüros Dratz & Dratz Architekten auf dem Gelände der Essener Zeche Zollvereins und wird dort bestaunt. Die einzige Realisierung eines Hauses aus Papier ist dieses Haus allerdings nicht.

PHZ2

39 Meter breit und sechs Meter hoch ist das PHZ2 genannte Gebäude, das die Architekten Ben, David und Uli Dratz mit 550 Altpapierballen gebaut haben. Das Projekt dürfte dazu taugen, die Qualitäten des Baustoffs Altpapier verstärkt ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Papierballen sind unglaublich stabil. Laut Aussage von Ben Dratz gibt so ein Papierballen erst bei einem Druck von siebzig Tonnen um zwanzig Prozent nach und gewinnt bei Nachlassen des Drucks etwa achtzehn Prozent der ursprünglichen Form zurück. Die Papierballen halten daher, so Ben Dratz im Rahmen eines Interviews mit dem Unternehmens Hochtief, mehr Druck aus als beispielsweise Steine. In komprimierter Form verliert Papier zudem seine schnelle Entflammbarkeit und wird zum Baustoff, der dem Brandschutzgrad „schwer entflammbar“ entspricht. Bleibt Feuchtigkeit, die dem Altpapier zusetzen könnte. Aber auch hier fanden die Architekten eine Lösung: eine Imprägnierung des Chemiekonzerns Henkel. Das Gebäude soll bis Ende 2011 für Veranstaltungen verschiedenster Art dienen, ehe es abgebaut wird und der Baustoff erneut in die Altpapiersammlung wandert.

Ein buntes Haus, ein schönes Haus?

Ob das entstandene Papierhaus wirklich schön ist, ist wohl eine Geschmacksfrage. Die Papierballen wurden nicht verkleidet und teils lassen sich Fragmente der Texte noch lesen, mit denen sie bedruckt sind. Bunt sind sie, die Altpapierballen. Uli Dratz hat dieses Farbenspiel damals fasziniert, als er und sein Vater Uli einst an einem Recyclinghof vorbeigefahren sind, derartige Papierballen sahen und die Idee vom Altpapierhaus entwickelten.

Ein Baustoff aus Cellulose

Auch die CONSIDO AG mit Stammsitz im schweizerischen Schaffhausen hat Papier als Baustoff entdeckt. Ihr SwissCell-Panels genanntes Baumaterial ist mit Spezialharz gehärtete Cellulose, der Grundstoff für die Papierproduktion. Für ein durchschnittliches CONSIDO Haus werden insgesamt fünfhundert Kilogramm Holz zur Produktion von Cellulose benötigt, schreibt das Unternehmen selbst, während ein herkömmlicher Fertigbau etwa sechs Tonnen Holz verbraucht. Die Panels sind, so CONSIDO weiter, extrem leicht und dennoch sehr stabil, druckfest, witterungs- und temperaturbeständig. Gebaut wurde mit dem Baustoff beispielsweise ein so genanntes iThemba-Haus in Kapstadt. Zwei Mitarbeiter des Unternehmens haben das Gebäude innerhalb von vier Tagen gebaut, schreibt CONSIDO in der Pressemitteilung vom Februar 2010. Mit dem Bau sei der „Startschuss für den Siedlungsbau unter Realbedingungen gefallen“. Bleibt die Frage: Welche Rolle mag Papier in der Zukunft für den Bau spielen: in Industrienationen? In entwickelten Ländern? Sie lässt sich wohl auf die Schnelle nicht beantworten.