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„Gateway Gardens“ in Frankfurt am Main, die „Europacity“ in Berlin, die „Hafencity“ in Hamburg – in Deutschlands Metropolen, aber auch in vielen Mittelstädten des Landes entstehen neue Stadtquartiere. In ihre Konzeption fließen modernste Erkenntnisse der Stadtplanung und wissenschaftliche Innovation für eine hohe Energieeffizienz von Immobilien ein. Bleibt die Frage: Was ist mit den Stadtquartieren und -vierteln, die bereits existieren? Wie viel Erneuerung und Energieeffizienz lässt sich hier durch Sanierung und Modernisierung erreichen? Das ist eine der Fragen, denen sich die Forschungsinitiative EnEff:Stadt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie im Rahmen von Modellprojekten widmet. Eins dieser Projekte: das Modellprojekt „Altes Zöllnerviertel“ in Weimars Innenstadt.

Das alte Zöllnerviertel in Weimar

Südwestlich vom Stadtkern Weimars liegt das alte Zöllnerviertel. Seine Geschichte geht zurück bis zur Stadterweiterung Weimars im anbrechenden zwanzigsten Jahrhundert. Das Viertel besteht derzeit aus einer um das Jahr 1900 herum erbauten Villa, aus sieben aus den zwanziger Jahren stammenden Wohngebäuden und einer Schule sowie aus drei als Schule und Kindertagesstätte genutzten Gebäuden der 60er Jahre. Das gesamte Areal umfasst aktuell etwa 15.290 m². Eigentümer der Immobilien ist teils die Stadt Weimar, teils gehören sie zur ortsansässigen Max-Zöllner-Stiftung. Diese im Jahr 2004 gegründete Stiftung widmet sich der „Betreuung, Förderung und Bildung blinder, sehbehinderter, schwerhöriger, gehörloser und taubblinder Menschen im Freistaat Thüringen“. Das alte Zöllnerviertel wird als Herzstück der Stiftung bezeichnet. Bereits im Jahr 2009 wurde ein einst am Standort stehendes Blindenheim durch eine 2,5 Millionen Euro teure Sanierung und Modernisierung in das moderne Max-Zöllner-Haus umgewandelt. Aber die Pläne für das alte Zöllnerviertel gehen sehr viel weiter. Im Viertel wird der Bau neuer barrierefreier Sozialwohnungen geplant. Diese Wohnungen sollen sinnesbehinderten Menschen, jungen Familien und Senioren als neues Zuhause dienen und damit eine Basis für das Zusammenleben unterschiedlichster Personen mit unterschiedlichsten Anforderungen schaffen. Letztlich soll die bisherige Wohnfläche dafür von bisher insgesamt etwa 5.115 m² auf etwa 7.074 m² erweitert werden.

Weimar plant ein neues Klimaschutzkonzept

Weiteres wichtiges Projekt ist die zukünftige Energieversorgung des Viertels. Angestrebt wird beim Thema Energie laut Forschungsinitiative „EnEff:Stadt“ eine „dezentrale, weitgehend autarke Versorgung mit hohem Anteil an regenerativen Energien“. Die Ausgangssituation dafür ist keineswegs einfach. Der energetische Zustand der Wohngebäude wird von „EnEff:Stadt“ als schlecht bezeichnet. Es herrsche hier starker Sanierungsbedarf, während Schul- und KiTa-Gebäude zumindest teilweise saniert sind, heißt es. Eingebettet sind die Planungen in das Weimarer kommunale Klimaschutzkonzept „Strom, Wärme, Kälte“, das derzeit von der Stadt erarbeitet wird. Mit ihm sollen unter anderem Potenziale für einen gesenkten Energieverbrauch der Stadt und einen erhöhten Anteil erneuerbarer Energien ausgelotet werden. Entstehen soll ein Katalog mit konkreten „stadtteilbezogenen und zielgruppenorientierten“ Maßnahmen.

Analysieren, Konzepte bilden, realisieren

Im alten Zöllnerviertel ist beispielsweise derzeit das Unternehmen „TBA Entire Building Analysis“ aktiv. Es agiert in der Analyse und Bewertung von Bestandsgebäuden, deckt dabei Schwachstellen auf und optimiert die Wirtschaftlichkeit der Immobilien. Für die Wärmeversorgung im Alten Zöllnerviertel Weimars setzt es auf ein „Niedertemperaturnahwärmenetz mit bedarfsabhängiger Nutzung von Solar und Erdwärme in Verbindung mit innovativen Wärmespeichersystemen“. So sollen zukünftig achtzig Prozent der im Viertel benötigten Wärme durch erneuerbare Energien abgedeckt werden. Die Bestandsaufnahme im Viertel und das Ausarbeiten von Konzepten ist Phase I des Gesamtprojekts, während Phase II die Umsetzung der Konzepte bedeutet. Letztlich sollen die modernisierten Immobilien den in der Energieeinsparverordnung 2009 definierten Standard für Energieeffizienz um dreißig Prozent unterschreiten. Für neu errichtete Gebäude wird ein Passivhausstandard angestrebt. Das bedeutet: Diese Gebäude können weitgehend ohne extern zugeführte Wärme beheizt werden.

Ein Vorbild für zukünftige Projekte

Die Bedeutung des Modellprojekts „Altes Zöllnerviertel“ reicht über die Grenzen Weimars hinaus. Bei der energetischen Modernisierung und Sanierung des alten Zöllnerviertels in Weimar geht es schließlich auch um konkrete Erfahrungen, die in zukünftige Projekte einfließen können. Möchte man ehrgeizige Klimaziele erreichen, sind solche Modellprojekte wohl nötig. Klare Vorgaben für Neubauten alleine reichen dazu nicht aus. Man wird zusätzlich sehen müssen, welche Energiekonzepte sich im Bestand umsetzen lassen und wo eventuell Grenzen gesetzt sind. Projekte wie das Modellprojekt „Altes Zöllnerviertel“ sind dazu bestens geeignet.