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Forscher loten bereits heute das Potenzial von Recyclingmaterialien als Bestandteil von Beton aus und Architekten bauen ein Haus, das überwiegend aus derartigen Materialien besteht. Das Ende der Geschichte von Recyclingmaterialien am Bau scheint keineswegs geschrieben zu sein. Ein Haus aus solchen Materialien mag beispielsweise ein Exot der Architekturszene sein, aber es kann auch Inspiration für weniger exotische Bauprojekte geben: Wie viel Recyclingmaterial verträgt eigentlich Ihr Bauprojekt?

Eine Studie zum Beton

Zement, Gesteinskörung, Wasser – das ist das grundlegende Rezept zur Produktion von Beton, der nach wie vor beim Hochbau eine große Rolle spielt. Einen Teil der benötigten Rohstoffe durch Recyclingmaterial zu ersetzen, würde eine nachhaltigere Rohstoffnutzung bringen, die auch der Baubranche ein kleines Stück Weg in die Zukunft weist. Die entscheidende Frage dabei: Wie groß ist das Potenzial von Recyclingmaterial aus dem Hochbau als Beimischung in Beton für neue Hochbauprojekte? Mit dieser Frage hat sich das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung in Dresden einmal in einer aktuellen Studie für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auseinandergesetzt.

Wie viel Recyclingmaterial taugt für Beton?

Bei den Antworten aus der Studie rückt die Gesteinskörnung als Bestandteil des Betons in den Vordergrund. Sie kann teils durch recycelten Betonsplitt oder durch ein Gemisch aus recyceltem Beton- und Ziegelsplitt ersetzt werden. Bezogen auf das Gesamtvolumen des Betons ergab sich im Rahmen der Studie ein möglicher Anteil von Recyclingmaterialien als Betonbestandteile von 32 Prozent, falls das Mischungsverhältnis von Beton- und Ziegelsplitt bei 100/0 oder 90/10 liegt. Bei einem Mischungsverhältnis von 70/30 können immerhin noch etwa 25 Prozent der Gesamtbetonmasse aus Recycling-Material bestehen. Bei diesen Zahlen geht das Institut von einem Gesamtanteil der Gesteinskörnung am Beton von 72 Prozent aus. Laut Studie ließen sich im Jahr 2020 theoretisch insgesamt 4,1 Millionen Kubikmeter Gesteinskörnung für die Betonproduktion durch Recyclingmaterialien ersetzen. Das würde eine ganze Menge an Rohstoffen sparen. 1,8 Millionen Kubikmeter könnten aber nicht eingesetzt werden, da zwischen dem Produktionsort des Recyclingmaterials und dem Ort, an dem ein passender Bedarf bestünde, eine zu große räumliche Distanz besteht.

Recycling für den Bau braucht kurze Lieferwege

Das zeigt ein großes Problem beim Einsatz von Recyclingmaterialien für den Immobilienbau. Oftmals ist er nur dann sinnvoll, wenn die Transportwege relativ kurz sind. Recyclingmaterialien aus Mecklenburg-Vorpommern taugen daher meistens nicht für Bauprojekte in Bayern und umgekehrt. Das Architekturbüro 2012architecten aus Rotterdam verfolgt als auf den Bau aus Recyclingmaterialien spezialisiertes Büro deshalb nicht nur die Strategie, bei möglichst vielen benötigten Baustoffen auf Recyclingmaterial zu setzen. Die Distanz zwischen dem Standort der recycelbaren Materialien und dem Ort der Nutzung darf darüber hinaus ein vorab bestimmtes Limit nicht überschreiten. Beim Bau der so genannten Villa Welpeloo in Enschede betrug diese Distanz beispielsweise fünfzehn Kilometer.

Villa Welpeloo und die 2012architecten

Die Villa Welpeloo entstand auf dem Areal im niederländischen Enschede, auf dem im Jahr 2000 eine Fabrik für Feuerwerkskörper explodiert ist. Damals starben 23 Menschen und über neunhundert weitere Personen wurden verletzt. Dass der ehemalige Fabrik-Standort heute nicht mehr alleine für die Katastrophe, sondern auch für nachhaltige und modellhafte Architektur steht, verdankt er der neu erbauten Villa. Beim Projekt handelt es sich um ein Wohngebäude für ein Künstlerehepaar. Beim Bau kamen Bretter alter Kabeltrommeln ebenso zum Einsatz wie etwa Verschnitte von Dämm-Material, die bei der Produktion von Karosserien für Wohnwagen anfielen, oder Glasabfälle. Insgesamt entstammen etwa sechzig Prozent der verwendeten Materialien bei der Villa Welpeloo dem Recycling. Das zeigt den großen Einfallsreichtum der niederländischen Architekten, die schon einmal alte Turbinenflügel zum Kinderspielplatz umfunktionieren oder Pavillons aus Kühlschranktüren, altem Segeltuch und alten Autoreifen bauen.

Recycling für weniger ambitionierte Bauherren

All das zeigt: Vieles ist möglich beim Einsatz von Recyclingmaterial im Immobilienbau. Nicht jeder Bauherr muss dabei gleich die ganze Bandbreite an Möglichkeiten nutzen, wie es die Architekten von 2012architecten tun. Aber vielleicht sollte man die eine oder andere Nachricht von Beton mit beigemischtem Recyclingmaterial und von außergewöhnlichen Recyclinghäusern aufmerksam lesen. Eventuell stößt man dabei ja auf Ideen, die auch beim eigenen Bauprojekt sinnvoll sein könnten: Selbst, wenn man nicht beweisen möchte wie viel Recycling am Bau wirklich geht.