You are currently viewing Ehingen – eine Stadt wird entschleckert

Das Aus für die Drogeriemarktkette „Schlecker“ hat vielerorts in Deutschland Arbeitsplätze gekostet und Leerstände verursacht. Als ehemaliger Standort der Schleckerzentrale ist Ehingen in Baden-Württemberg wohl dennoch ein Sonderfall, der stärker von Schlecker geprägt war als jede andere deutsche Stadt. Mehrere in Ehingen stehenden Schlecker-Immobilien kommen jetzt auf den Markt und aus dem Einkaufsbereich im Ehinger Schleckerland wird ein neues Center mit neuem Namen. Keine Frage: Ehingen wird entschleckert und die Stadt scheint damit ganz gut leben zu können.

Ehingen, die Schleckerstadt

Ehingen und Schlecker: Das ist keine ganz junge Beziehung. Ehingen ist Geburtsort von Anton Schlecker, dem Gründer des Unternehmens. Die Stadt liegt im baden-württembergischen Alb-Donau-Kreis am Fluss, hat knapp 25.800 Einwohner und ist die größte Stadt des Kreises. Anton Schlecker, Sohn eines ortsansässigen Metzgereiunternehmers, eröffnete hier 1974 das erste Schleckerland SB Warenhaus, dem weitere Warenhäuser dieser Art im Umland von Ehingen folgten. Die eigentliche Erfolgsgeschichte des Imperiums Schlecker begann jedoch etwa ein Jahr später, als Schlecker im etwa 70 Kilometer von Ehingen entfernten Kirchheim unter Teck den ersten Schlecker-Drogeriemarkt eröffnete. Der Rest der Geschichte ist wohl bestens bekannt: Schlecker wird zur langjährigen Erfolgsgeschichte, die auch in Ehingen ankommt. Hier entstand etwa an der Talstraße der Stadt die Firmenzentrale mitsamt Einkaufspark. Hier wurden das Schlecker Zentrallager sowie das Home-Shopping-Lager gebaut. Und hier veranstaltete man ab 1987 den Schlecker-Cup, zu dem regelmäßig bedeutende Handball-Mannschaften aus unterschiedlichen Ländern in die Längenfeldhalle Ehingens eingeladen werden.

5 Filialen und Schleckers letzte Expansion

Zwischenzeitlich habe es in Ehingens Innenstadt fünf Schlecker-Filialen gegeben, schreibt die Frankfurter Rundschau im Januar 2012. Erinnern wir uns an die eingangs erwähnte Einwohnerzahl. Die Filialen standen in einer Stadt, die mit heute etwas über 25.000 Menschen wohl als eher klein zu bezeichnen ist. Vielleicht standen die fünf Schlecker-Filialen in jenen Zeiten der Schlecker-Geschichte in Ehingens Innenstadt, in der das Imperium durch die Gründung zahlreicher neuer Filialen auffiel, nicht mehr jedoch durch wirklich überzeugende Kennzahlen? Die „Strategie“ erinnert ein bisschen an das letzte Aufbäumen eines Riesen, dessen Zeit abgelaufen ist. Die Drogerieketten-Marken „dm“ und „Rossmann“ hatten Schlecker in Bezug auf Marktanteile in Deutschland längst überholt, als es mit Schlecker zu Ende ging. Am 23. Januar 2012 stellte Schlecker schließlich Insolvenzantrag.

Ehingens Zeit der Entschleckerung hat begonnen

Bereits in jenem Januar wurde das SB Warenhaus im Ehinger Schleckerland an die Newport Gruppe gekauft. Anfang Oktober wurden dann die Pläne des Unternehmens für die Zukunft des Schlecker-Einkaufslandes bekannt. Newport plant zwei Anbauten mit insgesamt 2.000 m² Verkaufsfläche für die bestehende Immobilie, die bisher 11.000 m² Verkaufsfläche bietet. Teil des gesamten dem Verkauf dienen Areals ist außerdem noch eine Handelsimmobilie mit 9.000 m². Sie soll derzeit noch zu Schlecker gehören. Das neue, durch die Anbauten entstehende Einkaufszentrum wird Alb-Donau-Center heißen. Ein Stück „Schlecker“ wäre damit dann verschwunden in Ehingen. Es ist keineswegs das einzige. JonesLang LaSalle wird sich im Auftrag des Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz zukünftig darum kümmern, dass insgesamt 24 Immobilien des Unternehmens mit einer Nutzfläche von etwa 400.000 m² neue Eigentümer finden. Zu diesen Immobilien gehören in Ehingen die ehemalige Konzernzentrale mit 34.000 m² und 45.000 m² Grundstücksfläche, das Zentrallager und das Schlecker-Home-Shopping-Lager mit etwa 130.000 m² sowie 310.000 m² Grundstücksfläche. Zum Verkauf steht darüber hinaus auch das 1960 erbaute Schlecker-Stammhaus in Ehingens Bahnhofstraße mit etwa 1.000 m² Mietfläche. Im Haus hatte die Familie Schlecker ihre erste Metzgerfiliale eröffnet. Es scheint so, als würde es nicht ewig dauern, bis nicht mehr allzu viele Spuren von Schleckers vergangener Geschäftstätigkeit in Ehingen bleiben.

Die schleckerlose Zukunft Ehingens

Schlecker geht und anscheinend nimmt Ehingen das mit Gelassenheit. Die Verantwortlichen in der Stadt seien durch das Schlecker-Aus nicht überrascht gewesen, schreibt das Magazin Spiegel am 25. Juni 2012. Man habe in Ehingen die Gewerbesteuerzahlungen gekannt und die seien seit Jahren rückläufig gewesen. Das heißt dann wohl: Das Ende war für die Stadt absehbar. „Es wird keine Katastrophe über die Stadt hereinbrechen“, zitiert der Spiegel als Statement von Ehingens Oberbürgermeister Alexander Baumann zum Schlecker-Aus. Eine Arbeitslosenquote von nur etwa drei Prozent, von der andere Städte derzeit nur träumen, sind Indizien dafür, dass dieses Statement nicht nur reiner Zweckoptimismus sein könnte. Das Leben in Ehingen geht also weiter. Manches verschwindet. Wie in jeder Stadt. Anderes bleibt, wenn bisweilen auch unter anderem Namen. So wird in Ehingen auch noch immer international Handball gespielt. Nur heißt der Cup, bei dem das geschieht, jetzt nicht mehr Schlecker-Cup. Er heißt EVFH-Cup*.

*„EVFH“ steht für die Anfangsbuchstaben des Ehinger Vereins zur Förderung des Handballsports.

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