You are currently viewing Kostenexplosionen bei Großprojekten – was geht schief?

2010 begann der Bau eines Mammutprojekts im Duisburger Innenhafen. Die Rede ist vom neuen Landesarchiv Nordrhein-Westfalens, das als deutschlandweit größtes Landesarchiv konzipiert wurde und für das die Regierung Nordrhein-Westfalens irgendwann einmal dreißig Millionen Euro bereitgestellt hat. Die letzten Prognosen für das Projekt liegen nun allerdings bei Kosten in Höhe von knapp zweihundert Millionen Euro. Völlig untypisch sind solche Kostenexplosionen bei Großprojekten nicht. Projektnamen wie „Elbphilharmonie“ oder „Saarland Museum“ geistern aufgrund von explodierenden Kosten durch die Medien, die ursprüngliche Voranschläge deutlich übersteigen. Was geht da eigentlich schief?

Am Anfang war noch alles gut

2007 klang noch alles gut in Duisburg. Kurz vor Weihnachten des Jahres wurde die Entscheidung, dass das nordrhein-westfälische Landesarchiv definitiv in Duisburg gebaut wird, in einer Pressemeldung der Stadt noch als Weihnachtsgeschenk gefeiert. Genutzt für den Bau wird das letzte bisher nicht umgenutzte und unter Denkmalschutz stehende Speichergebäude im Innenhafen Duisburgs, das um einen 160 Meter langen Anbau und einen 76 Meter hohen aufgesetzten Turm erweitert wird. Der gesamte Bau soll 200 Meter lang werden. Ortner und Ortner heißt das Architekturbüro, dessen Entwurf beim Projekt umgesetzt wird. Projektiert wird das Landesarchiv vom Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB), Generalunternehmer ist das Unternehmen Hochtief. Damals beim ersten Spatenstich am zwölften März 2010 hieß es bereits, die Kosten des Projekts würden bei 120 Millionen Euro liegen.

Dann explodierten die Kosten

Anfang 2011 waren die Kalkulationen dann auf 141,5 Millionen Euro angestiegen. Damals hieß es, alle Risiken seien bei dieser Kalkulation nun abgedeckt, schrieb das Magazin Focus Anfang November 2011. Aber es war nicht das Ende aller steigenden Kosten. Im Oktober 2011 musste der BLB korrigieren. Focus zählte einige Fehler auf, die die abermaligen Korrekturen nach oben notwendig machten. Zu ihnen gehörten unter anderem über 500.000 Euro für die vergessene Umsatzsteuer bei Architektenrechnungen sowie Kosten aufgrund von „Altlasten, Schadstoff- und Baugrundrisiko“ in Höhe von 2,3 Millionen. Schwierigkeiten gab es bei der BLB aber anscheinend nicht alleine bei der Kalkulation von Kosten externer Leistungen. Die Eigenleistungen der BLB mussten ebenfalls um 825.000 Euro nach oben korrigiert werden. Seit Ende September 2011 existiert ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zum Bau- und Liegenschaftsbetrieb. Er wird sich jetzt neben dem Landesarchiv auch mit weiteren Projekten der BLB beschäftigen. Zusätzlich bereichern übrigens Korruptionsvorwürfe gegen einige Akteure beim Projekt Landesarchiv die Diskussion um das einstige Weihnachtsgeschenk für die Stadt Duisburg. Das Geschenk will nun kaum jemand mehr haben.

Es passiert immer wieder…

Das Landesarchiv in Duisburg reiht sich ein in eine ganze Gruppe von Großprojekten, bei denen anfänglich und aktuell kalkulierte oder am Ende des Projekt feststehende Kosten weit auseinanderklaffen. Das Handelsblatt hat einmal einige interessante Beispiele zusammengetragen. Aufgelistet ist dort etwa die Erweiterung der Modernen Galerie und des Saarland-Museums. Anfangs sollte das Projekt neun Millionen Euro kosten, während die Kosten heute vermutlich über dreimal so hoch sein sind. Der Bau der Elbphilharmonie in Hamburg wurde ursprünglich mit 100 Millionen Euro veranschlagt. Mittlerweile ist von mindestens 323 Millionen Euro die Rede. Und der neue Hauptbahnhof in Berlin sollte 300 Millionen Euro kosten und kostete am Ende 1,2 Milliarden Euro. Da ist die Frage durchaus mehr als berechtigt: Was geht eigentlich schief bei all diesen Projekten? Klar ist: Mammutprojekte haben eine geradezu gigantische Anzahl an Kostenfaktoren und sind einer Reihe von un- oder zumindest schlecht berechenbaren Einflüssen ausgesetzt. Das alles macht Berechnungen schwierig und eine auf den Cent genaue Kosten-Kalkulation kann da wohl niemand verlangen. Allerdings reden wir ja oftmals auch nicht über „nur“ um einige Millionen gestiegene Kosten. Etwas mehr Genauigkeit müsste und sollte doch eigentlich drin sein, oder?

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Karsten

    Vielleicht ist es einfach zu verlockend, der öffentlichen Hand zunächst ein günstiges Angebot vorzulegen, um später dann großzügig korrigieren zu müssen (können?). Führt dieses System nicht auch die wahrscheinlich erfolgte, ursprüngliche, Ausschreibung ad absurdum?!

  2. Andre Korth

    Genau da liegt eines der Probleme die genau dazu führt. Außerdem ist die Ablaufplanung schwer zu überschauen. <== ABER wenn man wirklich wert auf eine genaue Kalkulation legen würde in der Regierung, würde man das auch mit größter Sorgfalt planen. <== Hier liegt der dritte Punkt, der zu solchen "Verkalkulationen" führt. Die Einstellung zur Arbeit (bei den angeheuerten Betrieben aber auch bei den Kalkulatoren) lässt meines Erachtens hier und dort manchmal zu wünschen übrig. Oder liegt das wirklich nur daran, dass jeder Mensch an der otimierung seines eigenen Nutzen interessiert ist?! Stellen wir uns doch mal gemeinsam diese Frage!

  3. Christoph

    Dem Wunsch nach etwas mehr Genauigkeit kann ich auch nur zustimmen! Dies würde gerade zukünftigen Großprojekten helfen, mehr – und vor allem breitere – Akzeptanz in der Bevölkerung zu finden. Vielleicht erfolgt ja eines Tages ein diesbezügliches Umdenken….

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