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„Kommen Sie in das politische Entscheidungszentrum Deutschlands“ heißt es auf der Seite Business Location Center der Berlin Partner GmbH als Werbung für den Wirtschaftsstandort Berlin. Vielleicht würden einige Unternehmen aus der Industrie ja gerne kommen, können aber nicht? Das Unternehmen Engel & Völkers verkündet ein Rekordergebnis für 2011 beim Industrie- und Logistik-Flächenumsatz in Berlin UND Umgebung im Marktreport 2011/2012 „Industrie- & Logistikflächen Berlin“. Aber es verschweigt auch Probleme in Berlin selbst nicht: Die Nachfrage dort übersteigt das Angebot.

Die großen Flächenumsätze gibt’s im Umland

Der Flächenumsatz in der Region Berlin erreichte 2011 insgesamt 437.000 m² und damit ein Plus von 6,6 Prozent im Vergleich zu 2010 sowie das höchste Ergebnis in den letzten zehn Jahren, schreibt Engel & Völkers in seinem Marktreport. Flächenumsätze mit über 10.000 m² stehen dabei für 48 Prozent des Gesamtflächenumsatzes. Gerade die großen Flächenumsätze finden jedoch vor allem im Umland Berlins statt. Als bedeutende große Flächenumsätze listet Engel & Völkers fünf Beispiele auf, von denen nur eins Berlin selbst und nicht das Umland betrifft. Ein nicht benannter Autohandel siedelte sich in Berlin-Spandau auf 22.000 m² an. Spandau habe mit 35 Prozent den höchsten Anteil am Flächenumsatz in Berlin und stehe auch für die meisten Abschlüsse über 5.000 m², schreibt Engel & Völkers. Bei diesen Abschlüssen sei es jedoch vor allem um „unsanierte Industrieflächen mit hohem Freiflächenanteil zu niedrigsten Quadratmeterpreisen“ gegangen, heißt es weiter. Führen die neuen Abschlüsse zu mehr Arbeitsplätzen und spülen – etwa durch die Gewerbesteuer – Geld in die Stadtkassen, dürfte das für Berlin vielleicht jedoch letztlich eher unwichtig sein.

Platzprobleme und ein Masterplan

Die Probleme der Hauptstadt scheinen vor allem anderswo zu liegen. Viele Unternehmen würden in Berlin selbst kurzfristig „keine adäquaten, zeitgemäßen Flächen“ finden, berichtet Engel & Völkers. So etwas kann Unternehmen dann durchaus davon abhalten, sich in der Hauptstadt selbst anzusiedeln. Das Brandenburger Umland ist schließlich auch interessant. Berlin bekennt sich dazu, auch die „Industriestadt Berlin“ zu sein. Aber wohin mit der Industrie? Die Seite Business Location Center verweist aktuell auf etwa 4.600 Hektar gewerblicher Baufläche, die im Flächennutzungsplan ausgewiesen sind. Etwa 2.900 Hektar davon seien derzeit gewerblich bebaut und etwa 1.500 Hektar würden als Potenzial für Unternehmens-Ansiedelungen gelten. Nicht jede davon wird aber für eine Industrieansiedelung geeignet sein. Die Frage bleibt: Wohin also mit ansiedelungswilligen Industrie-Unternehmen? Berlin versucht, diese Frage mit seinem „Masterplan Industriestadt Berlin 2010-2020“ zu beantworten. „Rahmenbedingungen“ heißt das Aktionsfeld 1 dieses Masterplans, in dem die Stadt sich auch zu „Flächenmanagement und -vermarktung“ äußert. Hier wird die mangelnde systematische Erfassung vorhandener Industrieflächen kritisiert, über die sich Unternehmer negativ geäußert hätten. Das erschwere ein „effektives Flächenmanagement und eine kundenorientierte Vermarktung“, heißt es. Hier einige Dinge zu verbessern, wäre wohl gut. Das alleine wird aber wohl nicht ausreichen.

Industrieflächen und Probleme mit zwei Flughäfen

Neue Industrieflächen sollen etwa auf dem ehemaligen Flughafenareal Berlin-Tegel entstehen, sobald das Areal zum ehemaligen Flughafen geworden ist. Die verschobene Eröffnung von Berlin-Brandenburg-International wirkt da allerdings wie ein Stau. Möglicherweise entscheidet sich deshalb so manches eigentlich ansiedelungswillige Industrieunternehmen doch gegen die bekennende „Industriestadt“ Berlin? Für sie wäre es schade. Gewerbegebiete am Großflughafen helfen auch nicht weiter, selbst wenn sie auf Berliner Gebiet liegen. Sie sollen Airport-Dienstleistern vorbehalten sein, heißt es auf der Internetseite des Rundfunks Berlin-Brandenburg im März 2012. Reine Industrieunternehmen werden dort auf Gewerbeflächen in Niederlehme und Ludwigsfelde verwiesen. Diese Flächen liegen in Brandenburg.