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Der Wrangelkiez im Berliner Friedrichshain-Kreuzberg ist ein Wohngebiet, irgendwie immer noch. Zugleich hat sich das Berliner Stadtquartier aber längst auch zu einem Szene- und Partytreff der Hauptstadt entwickelt. Nicht jeder ist darüber erfreut. Manch einer sieht den Charakter des Wrangelkiez längst gefährdet und hat dabei eine Reihe von Politikern auf seiner Seite. Geht es nach dem Willen der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg, soll die Umwandlung von Läden in gastronomische Betriebe zukünftig eingedämmt werden.

Kleine Geschichte des Wrangelkiez

Die Geschichte des Wrangelkiez, das einst als Schlesisches Viertel bekannt war, lässt sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen, während der Name „Wrangelkiez“ weitaus jünger ist. Er stammt aus den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Das ungefähr 46 Hektar große Areal liegt zwischen Görlitzer Park, Schlesischem Tor und Spree. Berlin selbst beschreibt den Wrangelkiez als „ein hochverdichtetes, innenstadtnahes durch Blockrandbebauung geprägtes Quartier im Süden Kreuzbergs“. Die Zahl der Bewohner beträgt 12.400. Viele Bewohner sind jung und viele haben türkische Wurzeln. Das Quartier galt bis zur Wende als ruhig und abgeschieden und war geprägt von Wohnungen sowie kleinteiligem Gewerbe. Für viele damalige Bewohner war das ein Grund, sich bewusst für das Quartier als Wohnort zu entscheiden, heißt es auf Wrangelkiez.de und weiter: Künstler, Kreative und Studenten hätten den Wrangelkiez damals mit Leben gefüllt. Nach der Wende begann sich der Wrangelkiez dann jedoch langsam, aber sicher zu verändern. Und irgendwann im neuen Jahrtausend kamen dann in immer stärkerem Maße die Touristen.

Alteingesessene vermissen ihr altes Viertel

Der Wrangelkiez ist heute ein In-Viertel Berlins mit vielen Clubs und Bars, die sich etwa an der Schlesischen Straße angesiedelt haben. Nicht jeder Alteingesessene begrüßt das. Zum einen stören sie Lärm und Müllprobleme, die mit dem Auftreten der Touristen aufkamen oder sich zumindest verstärkt haben. Mit politischer Unterstützung begannen diejenigen, die sich gestört fühlten, zu wehren. Sie organisierten die Veranstaltung „Hilfe, die Touris kommen“ und ließen Aufkleber drucken, die ihre negative Haltung gegenüber den Touristen deutlich machten. Allzu sehr schreckte das aber wohl niemanden ab. Hinzu kommt ein Problem, das wohl in allen Stadtquartieren auftritt, die einmal ein eher ruhiges Dasein geführt haben und plötzlich im Zentrum des Interesses vieler Menschen stehen. Sie wecken Begehrlichkeiten bei Menschen, denen das Treiben im neuen In-Viertel nichts ausmacht: im Gegenteil. Sie möchten gerne dort wohnen, wo aus ihrer Sicht das Leben pulsiert und sie bringen im Vergleich zu den Alteingesessenen oftmals auch die volleren Portemonnaies mit. Als Folge steigen die Mieten. Das gilt auch für den Wrangelkiez. Er sei eine traditionell arme Gegend, wird der Stadtsoziologe Sigmar Gude vom Forschungsinstitut Topos in der Onlineausgabe der Berliner Zeitung vom 21. März 2012 zitiert. Die Mieten seien jedoch deutlich gestiegen: von 4,90 Euro pro m² im Jahr 2011 bis 6,60 Euro Ende März 2012.

Ein Stopp für neue Kneipen?

Mittlerweile gibt es den anfangs erwähnten Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Basis für den Beschluss ist Paragraf 15 der Baunutzungsverordnung für Allgemeine Wohngebiete. „Er ermöglicht, Genehmigungen von Laden- oder Wohnflächen für Gastronomie dann zu untersagen, wenn der Charakter eines Wohngebietes gefährdet ist“, schreibt „Die Welt“ am 21. Dezember. Manch ein alteingesessener Bewohner des Wrangelkiez freut sich darüber. Manch ein Club- und Kneipenbesitzer freut sich vielleicht auch, weil solch ein Beschluss eventuell dafür sorgt, dass die Konkurrenzsituation zwischen Clubbesitzern nicht weiter verschärft wird. Die generell eher negative Einstellung mancher langjähriger Bewohner dürfte ihnen jedoch weniger gefallen. Und so ist der Wrangelkiez vielleicht einfach ein weiteres Beispiel für die dynamische Entwicklung, die insbesondere eine Stadt wie Berlin kennzeichnet. Schließlich war es zwar nicht erst gestern, ist aber auch noch keine Ewigkeit her, dass so manch ein Randbezirk Berlins sich plötzlich in der Mitte der Stadt wiederfand. So etwas ist immens spannend. Aber es birgt auch Konfliktpotenzial.