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Am zweiten Mai 2011 öffnete das erste Indoor Campinghotel in Berlin seine Tore. Neben klassischen Hotelzimmern bietet es Campingwagen und Hütten in einer umgebauten Fabrikhalle als Unterkunft. Manch einer mag dieses Hotelprojekt als eins vieler Indizien dafür sehen, dass sich der Hotelmarkt deutlich wandelt. Die Anzahl vergebener Sterne verliert für Hotels an Bedeutung, meint etwa der Senior Investmentmanager bei LB Immo Invest Douglas Waibel in einem Beitrag der Immobilien-Zeitung. Stattdessen seien klare Profile gefragt, um sich von Konkurrenten abzugrenzen. Ein Indoor Camping Hotel hat solch ein Profil.

Ein Indoor-Campinghotel mit klarem Profil

Silke Lorenzen und Sarah Vollmer heißen die beiden Gründerinnen des Indoor-Campinghotels in Berlin-Neukölln. Insgesamt drei Wohnwagen und drei Hütten stehen in der 200 m² großen Halle, die einst zu einer Staubsauger- und Möbelfabrik gehörte. Für Gäste, die eher etwas konventionellere Hotelunterkünfte lieben, bietet das Hotel zudem sechs klassische Hotelzimmer. 80 Euro pro Nacht soll eins der Zimmer kosten, während ein Campingplatz in der Halle für dreißig Euro zu haben ist. Den Erfolg oder Misserfolg dieses Hotelprojekts kann letztlich nur die Zukunft zeigen. Eins ist aber bereits jetzt wohl klar: Sich von anderen Hotelprojekten abzugrenzen und klare Zielgruppen anzusprechen, dürfte dem Indoor Campinghotel in Berlin nicht allzu schwer fallen.

Die genaue Definition von Zielgruppen ist für Douglas Waibel ein Erfolgsrezept in der Zukunft der Hotelbranche. Grund dafür sei ein verschärfter Wettbewerb auf Bewertungsportalen und in sozialen Netzwerken des Internets, schreibt er in der Immobilien Zeitung. Wer sich auf seine Zielgruppe spezialisiere, könnte im Wettbewerb zu den Siegern gehören. „Empfehlungsmarketing“ heißt das Wort der Stunde. Als Beispiele nennt Waibel Fitnesshotels und Hotels mit der Zielgruppe „Familie“, die etwa Kinderbetreuung anbieten. Solche Hotels müssten dann allerdings auch den Anforderungen der Zielgruppe vollauf genügen, weil der Schuss ansonsten nach hinten losgeht. Auch Unzufriedenheit wird heute gerne im Internet geäußert und kann verheerende Wirkung zeigen.

Pauschale Kriterien sind immer etwas problematisch

Auf die Klassifikation durch den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband verzichten Hotels zunehmend, sagt Michael Waibel. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband ist in Deutschland für die Vergabe von Sternen an Hotels zuständig. Vergeben werden zwischen einem und fünf Sterne anhand eines Katalogs von Mindestkriterien. Daneben zählen Zusatzpunkte aus den Bereichen „Gebäude/Raumangebot“, „Einrichtung/Ausstattung“, „Service“, „Freizeit“, „Angebotsgestaltung“ und „Hauseigener Tagungsbereich“. Sonderbewertungen gibt es einerseits für Garni-Hotels, andererseits mit der Zusatzklassifizierung „Superior“ für Hotels, die ein „besonders hohes Maß an Dienstleistung bieten“. Zu den Mindestanforderungen an ein Drei-Sterne-Hotel gehören unter anderem ein Telefon sowie ein Getränkeangebot auf dem Zimmer, eine vierzehn Stunden besetzte und 24 Stunden erreichbare separate Rezeption mit zweisprachigen Mitarbeitern (Deutsch / Englisch) und eine Sitzgruppe am Empfang sowie ein Gepäckservice.

Diese Kriterien zeigen eine gewisse Problematik, die wohl den meisten Bewertungssystemen eigen ist. Sie müssen nicht zwangsläufig mit den individuellen Anforderungen von Gästen an einfache, gehobene und luxuriöse Unterkünfte übereinstimmen. Die reisende Familie mit Kind mag bereits beim Hotel mit gehobenem Standard eine Kinderbetreuung erwarten, während andere Gäste eher einen Wellnessbereich voraussetzen. Hinzu kommt: Eine Vereinheitlichung der Bewertungskriterien wird zwar europaweit angestrebt, dennoch stehen etwa vier Sterne für ein Hotel noch nicht überall für dieselben Standards.

Die Aussagekraft der Sterne

Auch der Blick nach Österreich zeigt, dass Hotelsterne an Aussagekraft verlieren. Martin Schaffer von der Kohl & Partner Tourismusberatung nennt in „DiePresse.com“ als Beispiel das Hotel „25hours“ in Wien. Es gab sich selbst die Kategorie „Economy deluxe“, hat den Service für Gäste eingeschränkt, bietet jedoch Zimmer, die großzügiger sind als bei typischen Low-Budget-Hotels. Wie soll man das anhand von Sternen bewerten? Ganz verlieren werden die Hotelsterne ihre Bedeutung wohl dennoch nicht. Sie geben potenziellen Gästen noch immer zumindest Indizien dafür, ob sie es mit einem eher einfachen oder luxuriösen Hotel zu tun haben. Damit taugen sie zumindest als ein erstes Auswahlkriterium. Auch das Indoor-Campinghotel in Berlin präsentiert deshalb zumindest für die angebotenen klassischen Hotelzimmer eine Klassifizierung: Sie gehören zur Drei-Sterne-Kategorie.