You are currently viewing Hochhäuser am Spreeufer: Wem gehört eigentlich Berlin?

Höher als die benachbarten Treptowers werden die geplanten neuen Hochhäuser am Treptower Spreeufer wohl nicht. Das Unternehmen Agromex möchte den Entwurf des Architekten Justus Pysall umsetzen und drei Hochhäuser bauen, von denen der höchste 110 Meter hoch werden soll. Und einmal mehr reihen sich in Berlin Freunde und Feinde eines Immobilienprojekts in die jeweiligen Lager ein.

Das Hochhausprojekt an der Spree

Gemeinsam mit dem Park Inn by Radisson Berlin Alexanderplatz bildet der Turm der Treptowers mit etwa 125 Metern Höhe die Spitze im Ranking der höchsten Gebäude Berlins. Als Treptowers wird ein Komplex aus vier Gebäuden bezeichnet, das Ende der 90er Jahre fertig gestellt wurde. Die drei jetzt am Treptower Spreeufer geplanten Hochhäuser in der Fanny-Zobel-Straße werden also keine neuen Höhenrekorde in der deutschen Hauptstadt aufstellen. Das für das Projekt vorgesehene und etwa 7.000 m² große Grundstück gehört seit 2011 der Agromex GmbH & Co. KG. Geht alles nach Plan, wird das Unternehmen hier zwei Türme mit etwa 200 Eigentumswohnungen bauen, die 90 beziehungsweise 110 Meter hoch werden sollen. Das dritte und etwa 63 Meter hohe Hochhaus wird zum Hotelturm. Pysall Architekten aus Berlin hatten sich mit ihrem Projektentwurf in einem Wettbewerb gegen anfangs 14 Konkurrenten durchgesetzt. Der Berliner Kurier schreibt, Baustart des Projekts sei im Spätsommer 2013.

Die Kritik am Projekt

Kritik an geplanten Hochhausbauten am Berliner Spreeufer hat fast schon Tradition. Gruppen wie „Mediaspree versenken!“ wenden sich gegen große Bauprojekte am Wasser und können mit Bürgerentscheiden Erfolge verbuchen, etwa mit dem aus dem Jahr 2008, in dem unter anderem für Neubauten fünfzig Meter Mindestabstand zum Spreeufer gefordert wird. Binden sind die Entscheide nicht und die fünfzig Meter Mindestabstand sind wohl derzeit eher keine Option. Die Kritik von Anwohnern am aktuellen Projekt von Agromex entzündet sich an mehreren befürchteten Nachteilen für die Nachbarschaft der geplanten Hochhäuser. Befürchtet wird etwa eine Verschattung angrenzender Immobilien, ein nicht mehr freier Zugang zur Spree sowie allgemein eine Verteuerung der Mieten am Treptower Spreeufer. Aber das Projekt hat keineswegs nur Kritiker auf den Plan. „Wenn in Berlin ein Hochhaus gebaut wird, gibt es nur Bedenken. Warum keine Freude?“ fragt etwa Gunnar Schupelius von der Berliner Zeitung am 26. August in einem Artikel. Ein Beleg dafür, dass Hochhausprojekte auch Freude bringen können, sind vielleicht Kölns Kranhäuser? Sie wurden vom Architekturbüro Bothe, Richter, Teherani entworfen und werden wie der gesamte neue Rheinauhafen von nicht wenigen Menschen als neue Sehenswürdigkeit der Domstadt gefeiert. Die Kranhäuser sind allerdings mit maximal etwa 70 Metern auch deutlich weniger hoch als die geplanten Spreebauten. Dennoch bleibt festzuhalten: Hochhäuser können auch faszinieren, die Architektur einer Stadt bereichern.

Der Wert des Streits

Agromex verspricht bei seinem aktuellen Projekt einen 3000 m² großen öffentlichen Park sowie einen öffentlichen Zugang zum Spreeufer. Das Unternehmen will zudem dem Wunsch des Bezirksamtes folgen und den Uferweg an der Spree verbreitern sowie den Dialog mit Bürgern suchen. Die Berliner Zeitung berichtet darüber hinaus, die Häuser seien so konzipiert, dass ihr Schatten auf die Spree und nicht auf die Nachbarbebauung fällt. Ob man wohl ohne vorherige Kritik an Hochhausprojekten in Berlin auf solche Dinge geachtet hätte? Kritiker sind wichtig. Das alles bedeutet letztlich aber wohl nicht, dass jede Kritik auch zu passenden Veränderungen an einem Projekt führt oder auch nur führen sollte. Wie man es auch dreht oder wendet: Es geschieht wohl täglich bei irgendwelchen Bauvorhaben, dass der Bau einer neuen Immobilie den Blick aus manch einer alten verschlechtert. Das ist vielleicht bisweilen einfach so und auch Anwohner am Spreeufer werden hier Kompromisse eingehen müssen?

Kein Beitrag zu mehr preisgünstigem Wohnraum

Die vielleicht (?) entscheidende Frage, die hinter all dem Streit in Berlin steckt, ist die, wie sehr wem in Zukunft Deutschlands Hauptstadt gehört. Werden langjährige Einwohner in großem Maße aus den schönsten Winkeln vertrieben? Auch das wären sicherlich Entwicklungen, die nur bedingt gesteuert werden können und teils zum Leben und Wachsen einer Stadt gehören. Aber wie weit dürfen solche Entwicklungen reichen? Ein Beitrag zu mehr preisgünstigem Wohnraum in Berlin sind die geplanten Eigentumswohnungen von Agromex eher nicht. Das Unternehmen schreibt auf seiner Internetseite, dass es sich auf das Segment der hochwertigen Wohnimmobilie konzentriert. Bezahlbarer Wohnraum für die Mehrheit der Berliner muss daher eher durch andere Projekte entstehen; vielleicht auch an begehrten Lagen wie dem Spreeufer? Wirtschaftlich würde so etwas wohl nicht einfach werden. Und schwierig könnte es auch sein, langjährigen Einwohnern der Stadt die Angst zu nehmen, ihr Wohnraum könnte irgendwann für sie unbezahlbar werden oder durch vorgebaute Hochhäuser stark an Attraktivität verlieren. Halten wir einfach fest: Die Zukunft einer Stadt zu planen und zu steuern, ist nicht einfach. Und bisweilen, vielleicht aber auch sehr oft ist es eine Aufgabe für gute Diplomaten.