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Kopfsalat aus dem Wolkenkratzer und Tomaten aus dem Hochhaus? Mit dem Konzept des „Vertical Farmings“ wird der Anbau von Nahrungsmitteln von der Breite in die Höhe verlagert. So könnte es auf einer relativ kleinen Grundstücksfläche möglich werden, eine ausreichende Menge an Nahrungsmitteln zu produzieren, um damit Tausende Menschen zu ernähren, sofern man nur hoch genug baut. Zudem könnte man in solchen Hochhäusern und Wolkenkratzern bestenfalls auch in denjenigen Regionen optimale Bedingungen für ein gutes Pflanzenwachstum schaffen, in denen solche Bedingungen für die klassische Landwirtschaft kaum gegeben sind. Die hier skizzierten Pläne und Ideen sind keine Science Fiction, sondern bereits Realität. In Singapur existiert mittlerweile die erste kommerzielle betriebene vertikale Farm.

Eine vertikale Farm in Singapur

Vertikale Farmen sind keine völlig neue Erfindung und dennoch ist die neue vertikale Farm in Singapur so etwa wie ein Pionier. Sie hat nämlich den Anspruch, die erste kommerziell betriebene Farm dieser Art auf der Welt zu sein. Initiator des Projekts ist das Unternehmen Sky Greens. Gebaut wurde die vertikale Farm seit 2009 auf einem etwas über 36.400 m² (9 acre) großen Grundstück in der Stadt Singapur. Das gesamte Projekt besteht aus 120 neun Meter hohen Aluminiumtürmen, von denen jeweils mehrere in Gewächshäusern untergebracht sind. In jedem der Türme ist das Wachstum von drei verschiedenen Arten von Blattgemüse möglich, heißt es. Das Projekt basiert laut Sky Greens unter anderem auf einer patentierten CO2-armen grünen Technologie sowie auf den kontrollierten Einsatz von Wasser, Saat-Mix und  Düngemittel.

Andere vertikale Farmen

Das Sky Greens Projekt in Singapur ist kein Einzelfall. So berichtete etwa die Wiener Zeitung im November 2012 vom Projekt des Südkoreaners Choi Kyu-hong. Er baut mit der „Plant Factory“ der staatlichen Rural Development Administration in einem vierstöckigen Gebäude auf insgesamt 446 m² mitten in der Millionenstadt Suwon Gemüse an, heißt es im Artikel. Die Pflanzen würden mit LED-Licht bestrahlt und Sonnenlicht sei nahezu unnötig. Für einen effizienten Umgang mit Ressourcen sorge unter anderem das Recyclingsystem, mit dem sich nahezu 90 Prozent des herkömmlichen Wasserverbrauchs einsparen lassen, für die notwendige Energie würde man unter anderem auf Solaranlagen und Erdwärme zurückgreifen. Um sich Projekte im Vertical Farming anzusehen, muss man den Blick aber nicht zwangsläufig nach Asien richten. Ein konkretes Projekt ist derzeit auch in der schwedischen Stadt Linköping im Bau. Das Unternehmen Plantagon International errichtet hier ein 55 Meter hohes Gewächssystem, das etwa 4.000 m² Raum für den Anbau von Gemüse bieten soll. Im Februar 2012 war Grundsteinlegung und geht alles nach Plan, ist spätestens 2014 erstmals Erntezeit.

Leben und Überleben auf kleinem Raum

Als ein Vorreiter des Vertical Farmings gilt der emeritierte Columbia Professor Dickson Despommier, den die Wiener Zeitung auch Vertical-Farming-Guru nennt. Bereits Ende der 90er habe er mit Studenten überlegt, wie sich leer stehende Hochhäuser in US-amerikanischen Städten besser nutzen lassen, berichtet die Zeitung. Dabei sei errechnet worden, dass eine Vertical Farm auf dreißig Stockwerken etwa 50.000 Menschen ernähren könne, wobei etwa auch Platz für eine Rindefarm im Erdgeschoss sei. Spätestens bei diesen Dimensionen wird deutlich, dass Vertical Farming sich tatsächlich dazu eignen könnte, viele Dinge rund ums Leben und Überleben in wachsenden Städten bei einer weiter anwachsenden Anzahl von Menschen auf der Welt zu verändern. Gestritten wird noch über die Energiebilanz solcher Projekte, von der nicht immer alle überzeugt sind. Aber Streit kann im besten Fall sehr konstruktiv sein und Konzepte vorantreiben, sie besser machen.

In Bezug auf das Wachstum von Städten und Stadtplanung könnte Vertical Farming unter anderem dafür genutzt werden, natürliche Landschaft im Umkreis von Städten zu erhalten oder um mehr Naherholungsflächen zu gestalten, weil weniger landwirtschaftliche Flächen benötigt werden. Noch wichtiger: Anderswo verringert es vielleicht die Abhängigkeit von widrigen klimatischen Bedingungen und sorgt für eine gesicherte Nahrungsproduktion. „Wir fahren aufs Land“ heißt dann vielleicht in Zukunft bisweilen: mit dem Aufzug in den 30sten Stock!